Liebes Archiv ... Einträge vom Februar 2006

Jedes Jahr dasselbe. Oder das Gleiche?

Wieder ist der zeitliche Abstand zu meinem Schulabschluß zählbar länger geworden und ich mach bald meine eigene Rechtschreibreform! Ist dasselbe dasselbe wie das Gleiche und wie werden die zwei richtig geschrieben?
Und die Zahlen! Wie schwer es fällt, sich an neue Zahlen zu gewöhnen, weiß wohl jeder noch vom Jahreswechsel. Erstaunt, ungläubig und unwillig (im Laufe des Tages mit zunehmender Tendenz zu scheißegal) nehme ich also heute diese neue Zahl zur Kenntnis, und daß meine Vergangenheit immer länger wird. Daß ich mich von Kindheit, von Jugend, ach, all dem, der guten alten Zeit, wieder ein Stück entferne, auf der Eisscholle namens Gegenwart treibend. Ich strecke meine Hände verzweifelt aus, weiter, noch weiter, beuge mich vor über den klaffenden Abgrund des Vergessens, es reicht nicht. Das eigenwillige Hirn vermanscht wieder ein paar mehr Tatsachen und Fiktionen zu Erinnerungsbrei, gaukelt mir irgendwann vor, die Narbe an meinem linken Fußgelenk ist eine Kriegsverletzung, nicht vom Zusammenstoß mit einem rostigen Nagel. Der Verfall nagt an mir, er schleicht sich an wie ein falscher Freund, aber die Jungen wissen es, ihre Röntgenblicke sehen es, du bist alt, sagen sie und siezen mich. Bin ich ab heute wieder ein sichtbares Stück älter? In meiner Umgebung ist niemandem etwas aufgefallen. Mal sehen, wann es durchsickert.

[] Manama / Dienstach, 28. Februar 2006

Manchen Leuten

… fallen besonders kreative Gedanken ein, wenns ihnen dreckich geht, also wenn irgendein Rausch nachläßt, offensichtlich is das bei mir anders,
ich lauf heut rum wie Falschgeld, bleibe in Bewegung, damit die Physe nicht ohne meine ausdrückliche Anweisung in unkontrollierbare Zustände schlingert, durch das Loch in der rechten Socke hat sich irgendwie ein Stein geschlichen, der mir kräftig auf den S geht. Und revolutionäre Einfälle haben kein Zuhause in meinem Kopf heute. Seit dem Mittag stabilisiert sich der Zustand, also kein Grund für übereilte Vorsätze, die eh nicht den Hauch der Ernsthaftigkeit besitzen. Irgendwie hat wohl jede Gegend ihr Stammgetränk. Im Rioja war es - natürlich - der kräftige Rote vom Lande, in Jakarta der Bacardi-Cola und hier teilen sich das angebliche Leibgetränk der Königinmutter und der geeiste Tee von der langen Insel meine Gunst. Prost.

[] Manama / Montach, 27. Februar 2006

Endstation.

[] Manama / Sonntach, 26. Februar 2006

Straßenrennen.

   
Heute war der dicke King-Faisal-Haiweh vergittert, abgesperrt für einen kleinen Vorgeschmack auf den Grand Prix im März. Die aufgemotzten Kisten röhrten die Strecke entlang, angeführt von einer zierlichen Dame im Kopftuch, die dem schwarzen V8 kräftig die Sporen gab. Später durften Hummers, Porsches und cetera auf die Bahn, aber meine Konzentrationsfähigkeit war schon erschöpft. Die frische Brise vom Meer trieb uns zurück.

[] Manama / Freitach, 24. Februar 2006

Das erste Gewitter.

Gestern abend zuckten zum ersten Mal eckige Blitze über Bahrains Nachthimmel. Kaum waren wir inhäusig, begann es kräftig zu schütten. Parkplätze wurden zu Seen, Autos wurden sauber, aus dem weißen Muschelsand wurde breiige Pampe.

[] Manama / Donnerstach, 23. Februar 2006

Ebbe.

Es is Ebbe, und wenn Ebbe ist, dann ist keine Flut. Nicht hier jedenfalls. Aber irgendwo anders? Wo ist das Wasser hin? Ist der Vorgang wie eine geregelte Tsunamiwelle, oder wie muß man sich das vorstellen? Läuft die Erde noch rund oder eiert sie? Angeblich ist es doch der Mond, der da die Finger im Spiel hat, was ist denn, wenn der Mond auf der anderen Erdseite rumlungert, wer paßt denn da auf, daß nichts überschwappt? Oder alles leerläuft? Was ist mit den Fischen? Werden die um die ganze Welt geschoben? Man weiß ja noch so wenig darüber.

[] Manama / Mittwoch, 22. Februar 2006

Suchbild.

Irgendwas stimmt hier nicht! Die dargestellte Mahlzeit ist eine Abwandlung dieser hier, bestehend aus Knäckebrot, Butter, Frischkäse, Himbeermarmelade und französischem Camembert - wertvoll wie ein kleines Steak!
Alle Zutaten sind aus diesem Al Jazira-Konsum umme Ecke. Eine davon ist derzeit aus bestimmten Gründen sehr umstritten - welche ist das?

[] Manama / Montach, 20. Februar 2006

Der Lumpenturm.

Is noch nicht so lange her, die Sache. Und was war das peinlich. Die schwarze Schönheit, Prinzessin und von Beruf Tochter, war mit ihrer Narrenfreiheit hausieren gegangen und mit einem kahlköpfigen, tätowierten amerikanischen Marine durchgebrannt. Dann blieben die Schecks aus, reumütig kehrte sie um, zog sich in den alten Lumpenturm zurück. Und jeder dachte, ihr Vater hätte sie weggesperrt. Ein Schnattern über der ganzen Stadt. Auch egal jetzt. Nix mehr zu versauen.
Rapunzel ließ erstmal für niemanden mehr ihr Haar herunter. Sie ging in sich, vorwiegend im übertragenen Sinne.
Und das war nicht einfach. Das Geknatter der Lumpen im Sandsturm, der zu dieser Jahreszeit die Insel heimsuchte, zerrte an ihren zarten Nerven. So richtig in sich gehen war nich. Das Klo behagte ihr wirklich nicht, die Klimaanlage klapperte viel zu laut. Und ihren kleinen Koffer mußte sie auch draußen lassen. Scheiße. Der kleine Japaner, der ihr hätte helfen sollen, stand draußen. Egal. Der alte Pakistani - oder Inder? es war ihr stulle - der gleichmütig lächelnd und unverständliches Zeug brabbelnd das wenige abräumte, das er ihr gerade aufgetischt hatte, verwunderte sie viel mehr. Er hatte den Turm einst mit eigenen Händen aufgeschichtet, soviel hatte sie kapiert, die langen Stäbe, die draußen angebracht waren, sollten Blitze abwehren. Die Leute schüttelten die Köpfe. Letztendlich spießten die Dinger nur die umherfliegenden Plastikplanen und Lumpen auf.
Der kleine gelbe Japaner hatte just hier den letzten Tropfen aus dem Tank im Magermixer verdaut, sie stieg aus und blieb. Und blieb.
Es dauerte lange, ehe der Spuk zuende war, mehrere Stunden, dann erst fanden Papas Männer die Prinzessin, nachdem die Verwandschaft, die ihr Schloß gleich über die Straße bewohnte, den Tip gegeben hatte. Nach Hause, in den kuscheligen Palast draußen am anderen Ende der Stadt mit seinen Brunnen und Kissen... Scheißtag.

[] Manama / Samstach, 18. Februar 2006

Palmen blühn.

[] Manama / Freitach, 17. Februar 2006

Zuviel ist zuviel ist nicht genug.

Natürlich konnte ich das nicht ablehnen! Ich hab zwar nur zwei Ohren und die brauchen nach dem ganzen Radau da draußen einiges an Ruhe, aber wenn mir eine Festplatte mit - isch schwöre! - 65 Gigerbeit an Musik zum Tauschen angeboten wird, bin ich ganz aufgeregt! Die bis dahin zusammengeklaubte Musik auf meiner kleinen Kreischbüchse belief sich ja schon auf etwa 55 Gigerbeit, vor Abflug hatte ich nahezu meinen ganzen CD-Bestand in MP3 übersetzt, aber das konnte ja nicht alles sein! Überlegt man sich mal, wieviele Lieder man im Radio erkennt, also wieviele Melodien in so einem nutzlosen Kopf gespeichert sind, können so ein paar Nullen und Einsen da nicht mithalten!

[] Manama / Donnerstach, 16. Februar 2006

Die Formel.

Das Kreischen, alle warten auf das Kreischen! Besuchen Sie Bahrein, ein kostenloses Visum lockt! Den Tennishals gibt's gratis dazu! Sehen Sie Schumi in der Seef Mall, wie er mit Jacko zusammenstößt, wessen Nase liegt da am Boden? Autogrammstunde mit Button! Buchen Sie die Ritz-Carlton-Suite neben Heidfeld, Alonso oder Barrichello, Discount, Sir! Riechen Sie den Gummi und den Treibstoff, der die Wüstenluft schwängert! Kommen Sie nach Manama vom 10. bis zum 12. März 2006! Erleben Sie das aufregendste Wochenende Ihres Lebens!

[] Manama / Montach, 13. Februar 2006

Gestrandet.

   
Ausflug in den Süden, böiger Sandsturm. Mitten in der Wüste, dort wo die Bahreinis jetzt, im Winter, ihre Wochenenden gern in Zeltsiedlungen verbringen - zurück zu den Wurzeln - steht ein löchriges Fischerboot. Die bahreinische Fahne flattert stolz im Wind, wie an jedem Zelt. Hat der Wind auch das Boot hierhergetragen oder wann war die letzte Sturmflut?

[] Manama / Freitach, 10. Februar 2006

Mittendrin statt nur dabei.

   
Feine Blutspritzer zieren unsere hellen Hemden. Schwarze Fahnen der Schiiten überall im engen Viertel. Wir stehen, an die Hauswand gequetscht, in der schmalen Gasse und lassen die Züge schwarzgekleideteter Jungen und Männer vorbeimarschieren, die sich im Takt von Trommel und Becken den Rücken mit Kettenprügeln blutig schlagen.
In anderen Zügen wird die bloße Hand bevorzugt, mit der Faust schlagen sich diese Kameraden im Takt die Herzgegend grün und blau. Der Mann am Lautsprecherwägelchen rezitiert die Geschichte vom Tod Husseins, Enkel Mohammeds und Märtyrer, der einst im Krieg mit den Umayyaden getötet wurde. Es ist sein Ehrentag. Blutbespritzte weiße Tauben und drastische Darstellungen der Ermordung zieren die Straßen. Ins Pflaster sind die Fahnen von Israel, den USA und neuerdings natürlich Dänemarks gedübelt, damit jeder darauftreten kann. Hinter schwarzen Vorhängen und in den Hauseingängen sitzen, auch in schwarz, die Frauen und Mädchen. Am Straßenrand Tische, an denen Tee und Essen kostenlos verteilt wird. Auch an uns. Freundlich und neugierig tritt man uns entgegen. Feierliche Trauer ohne Wut, so scheint es.

[] Manama / Mittwoch, 08. Februar 2006

Der Baum des Lebens.

Sagenumwobenes Ausflugsziel. Woher nimmt der einsame Baum mitten im Nichts der staubigen Wüste sein Wasser? Das ist, womit uns findige oder verzweifelte Tourismusgurus das erstaunliche Naturwunder schmackhaft machen wollen. Bevor extensiver Bootsbau und klimatische Veränderungen die Insel zum versalzenen Brachland machten, war die Jagd ein einträglicher Zeitvertreib in Dilmun, wie das Land einst hieß. Warum der Baum als einziger noch steht, ist vielleicht das eigentliche Wunder. War er zu krüppelig um als Bootsrumpf zu enden?

[] Manama / Dienstach, 07. Februar 2006

Sie meinen es wirklich ernst.

Ende des vergangenen Jahres konnte man letztmalig rein - ich habe es hier ausdrücklich beschrieben - jede Gelegenheit konnte die letzte sein. Dahin! Heute kommen die Fenster raus! Wie konnte es soweit kommen? Hat denn keiner laut genug HALT gerufen? Nee.
Jetzt werden dem zweiten, aber weniger erfolgreichen Tacheles, dem ausgeweideten Ausstellungspalast auf dem Schloßplatz die Augen amputiert, samt Brauen. Was für ein Grauen. Hier kann man schauen. Alles muß raus. Dann kommen die Kräne und bauen alles rückwärts. Und wech isser. Berliner, guckt euch zum letzten Mal die Glitzerbude an, bevor die größte urbane Brache der Welt auf ewig die Berliner Mitte verschandelt!

[] Manama / Montach, 06. Februar 2006

Professor Unrat.

s sind die alltäglichen Wunder, die die Welt rundlaufen lassen, die kleinen Dinge, die genauso unglaublich wie unauffällig sind und selbstverständlich scheinen. Diese, die ich meine, sind Teil des Wunderwerks namens Mensch, das jeden Tag aufs Neue funktioniert. Wie der Körper sich morgens - noch fast ohne Anleitung des Geistes - aus dem Bett schraubt trotz dieser Bürde, um die es hier geht.
Ich rede von den unzähligen Mitessern, die sich auf meinem Rücken tummeln, den eitrig gefüllten, zum Bersten gespannten pubertären Überbleibseln der Jugend, auch Pickel genannt, von Hautschuppen, die sich laufend von der sich in ewiger Erneuerung befindlichen Oberflächenbespannung lösen, von überzähligen Haaren, die sich nutzlos zwischen die nutzbringenden mischen, von zähem Schleim, der mir Rachen und Nase verklebt, von Schotterflechten und anderen Schorfkrusten. Dabei will ich von Verdauungsabfallprodukten mal garnicht erst anfangen, ebenso will ich den Dreck vom Vortag außen vor lassen, der sich in der Nacht bereits abgerieben haben sollte. Zusammengenommen muß es sich bei einem Erwachsenen doch um mehrere Kilogramm Schwungmasse handeln, die die Menschmaschine allmorgendlich zusätzlich mit potentieller Energie aufladen muß. Es kann einfach nicht oft genug betont werden, welche Leistung das Flaggschiff der Evolution - vielfach unbemerkt - vollbringt. Doch angesichts dieses Mühsals und auf dem Wege ewiger Körperoptimierung überlege ich tatsächlich mich einer - eigentlich sehr unmännlichen - Kosmetikbehandlung zu unterziehen, um am Morgen danach wie eine gespannte Spiralfeder aus dem Bett zu springen.

[] Manama / Samstach, 04. Februar 2006

Zwischen Tür und Angel.

[] Manama / Freitach, 03. Februar 2006

...und hier geht's weiter in die Vergangenheit.